Der Geschichtenerzähler

Seine Helden heißen zum Beispiel Pizza und Nickel, sie sind zwar klein, haben Achim Bröger aber doch zu einem Großen seines Genres gemacht – zu einem der erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautoren Deutschlands. JOURNAL-Autor Jörn Genoux hat ihn in Sereetz bei Lübeck besucht.

Pizza hat er sich ausgedacht, das kleine Mädchen, das mit seinem Freund, dem Elefanten Oskar, nach Afrika reisen will. Auch Nickel, die mit der Geheimtür in ihrem Zimmer, sowie Jakob, den Jungen mit dem Zauberhut, und Jutta, die eines Nachmittags Angst um ihre kranke Oma hat – und ganz viele weitere große und kleine Helden für Leser von vier bis 18 Jahren: Kinderbuchautor Achim Bröger, gebürtiger Franke, seit 1993 wohnhaft in Sereetz.
Natürlich kommen Pizza und Oskar nicht bis nach Afrika. Aber immerhin bis nach Wirpshausen, zu einer Lehrerin, die ihnen den Kontinent auf der Karte zeigt und viele Geschichten dazu erzählen kann. Auch Achim Bröger sieht sich als Erzähler. Und er ist einer, der häufig ganz realistische Szenen aus dem Alltag von Kindern aufnimmt und sie mit ganz fantastischen Begebenheiten kombiniert. So hat beispielsweise das Mädchen Nickel in einer Geschichte die Eltern belogen – und ist darüber gar nicht froh. Hinter der Geheimtür ihres Zimmers wohnt aber glücklicherweise der freundliche Herr Siemon, mit dem sie über alles reden kann. Pizza hingegen hat Eltern, die nur vorm Fernseher sitzen und ihr nicht zuhören. Gut, dass es da den sprechenden Elefanten Oskar im Zoo gibt. In vielen seiner Bücher nimmt der Autor große und kleine Probleme aus dem Alltag von Kindern und Erwachsenen auf.
Der 64-Jährige ist einer der produktivsten Kinderbuchautoren Deutschlands. Er erhielt Preise und Ehrungen, darunter 1987 den Deutschen Kinder- und Jugendliteraturpreis für „Oma und ich“. Seine Bücher sind in 27 Sprachen übersetzt worden. Achim Bröger schreibt auch Hörspiele und Theaterstücke, er hat Fernsehfilme gemacht, unter anderem für „Löwenzahn“, „Die Sendung mit der Maus“ und „Neues aus Uhlenbusch“. Sein erstes Buch wurde 1968 veröffentlicht, die „Raupengeschichten“. Es folgte „Der Ausreden-Erfinder“ (1973), das als Hörspielfassung den Deutschen Schallplattenpreis erhielt. Und mit „Guten Tag, lieber Wal“ (1974) begann eine lange und enge Zusammenarbeit mit der bekannten Zeichnerin Gisela Kalow.
„Ich habe mich aber erst 1980 getraut, den Sprung in die freie Tätigkeit zu wagen“, erzählt Achim Bröger. Eine halbe Stelle beim Braunschweiger Westermann Verlag bot das sichere Einkommen, auf das er als Vater von drei Kindern angewiesen war. Doch nach zehn Jahren als Autor war er so gut im Geschäft, dass das Risiko kalkulierbar war. Die Verlage kamen auf ihn zu mit Projekten, auch Radiostationen und Fernsehsender. Noch gut erinnert sich Bröger an den „jungen, langhaarigen Mann“, der in dieser Zeit in eine seiner Lesungen kam und sich anschließend als Mitarbeiter des Duden-Verlags vorstellte. Ob Bröger nicht Lust habe ein Lexikon zu schreiben? Nein, habe er geantwortet, berichtet Achim Bröger, er sei schließlich Erzähler. Doch der Mann ließ nicht locker, überredete ihn dazu, zumindest ein Konzept zu schreiben. „Das habe ich dann getan, und die ersten 20 Artikel für das Lexikon auch, um zu sehen, ob mein Konzept funktionieren kann“, so der Autor. Offenbar funktionierte es, denn er schrieb schließlich auch die weiteren 1180 Artikel und damit das erste erzählte Kinderlexikon, das bis heute in mehreren aktualisierten Auflagen erschienen ist. Später schuf er dann auch einen Kinderatlas. „Über Länder und die Menschen dort lassen sich wunderbare Geschichten erzählen,“ erklärt Bröger.
Zum Schreiben kam Achim Bröger über seine Familie. Schon der Großvater Karl Bröger war Schriftsteller gewesen, der Onkel arbeitete beim Theater. Achim Bröger hatte zunächst das Schriftsetzer-Handwerk gelernt, arbeitete danach als Korrektor, Texter und Gestalter. Sein Deutschlehrer, erzählt er, habe ihn ermuntert, für Kinder zu schreiben: „Du hast Fantasie, schreibst in kurzen Sätzen und manchmal witzig, das mögen Kinder“, habe der Lehrer gesagt. Die Ideen zu den Büchern entstehen mitten im Leben. Viele Anregungen haben früher die eigenen Kinder geliefert. „Heute kommen sie von Begegnungen mit Kindern in Kindergärten, Schulen, Bibliotheken oder in der Nachbarschaft oder von meinen Enkelkindern“, erzählt Bröger. Und dann fällt ihm vielleicht ein Junge oder ein Mädchen ganz besonders auf.
So wie der Schüler, der seine Mütze auch während des Unterrichts nicht abnahm. Daraus entwickelte sich die Reihe „Jakobs Zauberhut“. Auf Hunderten Zetteln in seinem Arbeitszimmer sind sie festgehalten, die Ideen. Doch derzeit verfolge er davon nur etwa sechs, sieben Projekte, von denen wiederum drei den Verlagen bekannt seien. Das Schreiben an sich ist bei Achim Bröger ein stark handwerklich geprägter Vorgang. Mit Bleistift werden weiße, unlinierte Bögen Papier eng beschrieben: „Am Ende ist alles viel zu lang, und es beginnt das Feilen am Text, das Kürzen und Umstellen. Beides gefällt mir sehr, das Erfinden und das Feilen.“
Kontakt zu seinen Lesern sucht Achim Bröger als Vorleser. Er besucht Schulen, Kindergärten, Hochschulen und Buchhandlungen im gesamten Bundesgebiet, aber auch im Ausland, und liest vor, berichtet aus seiner Schreibwerkstatt und beantwortet die Fragen der Kinder. 60 bis 70 solcher Termine nimmt Bröger im Jahr wahr. Zu Beginn seiner Karriere hat er den Schulfreund und Schauspieler Rainer Hunold seine Texte vorlesen lassen. Doch durch einen Schulrektor, der darauf bestand, den Autor persönlich aufs Podium zu holen, hat Bröger schließlich selbst Lust aufs Vorlesen bekommen. „Heute mache ich das sehr gerne und möchte darauf nicht mehr verzichten.“ Die Gemeinde Sereetz wird ihn am 1. Juni auf ganz besondere Weise ehren: Sie benennt die Grundschule nach ihm.
Achim Bröger arbeitet nicht mehr ganz so viel wie früher. Er verbringt mehr Zeit mit seiner Frau und mit den beiden Border Collies Jess und Rolpi, kocht oder läuft durch den Wald, der direkt neben dem Haus beginnt. Aber ans Aufhören denkt er noch lange nicht – „obwohl es manchmal eine schöne Vorstellung ist, keine Termine mehr zu haben.“
Noch aber liegen da zu viele Zettel in Achim Brögers Arbeitszimmer. Und noch kommen laufend welche mit neuen Ideen hinzu.

Kieler Nachrichten 11. April 2009